Quantcast
Channel: Großhansdorf – ahrensburg24.de
Viewing all articles
Browse latest Browse all 321

Verhaftung in Großhansdorf: Jetzt reden die Betreuer des Flüchtlings

$
0
0
Großhansdorf (ve). Eigentlich – so wird im Gespräch mit Betreuern des am Dienstag in Großhansdorf wegen Terrorverdacht verhafteten Flüchtlings deutlich – wünschten sich alle, die den Verhafteten kennen, den Beweis seiner Unschuld. Die Paten stehen zu den Flüchtlingen in Großhansdorf: Das Ehepaar Volker und Marlen Schwarz, Dorothee Magnussen, Bahia Lafar, Sebastian Hellwig, Birgit Karlsson, Angelika Woge, Bürgermeister Janhinnerk Voß und Nicola Rackebrandt (von links). Die Verhaftung des 17 Jahre alten Syrers, dem vorgeworfen wird, ein Gefährder im Auftrag des Islamischen Staates zu sein, traf die Großhansdorfer unvermittelt und so manchen bis in Mark. Einige Tage nach dem Vorfall nun gewinnen Raison und Reflexion die Oberhand. Vor diesem Hintergrund hat Bürgermeister Janhinnerk Voß zu einem Pressegespräch geladen, bei dem Betreuer des Verhafteten und Engagierte des Freundeskreises für Flüchtlinge ihre Einschätzung deutlich benannten. Der Flüchtling Mahir: Ein freundlicher Junge Da ist zum Beispiel Dorothee Magnussen. Die Großhansdorferin engagiert sich zusammen mit sechs anderen Frauen als Deutschlehrerin im Freundeskreis. Und in ihrem Unterricht saß der verhaftete Mahir. “Er war ein sehr freundlicher Junge, motiviert, noch ein wenig kindlich”, sagt sie. Und: “Man hat ihm immer wieder angemerkt: Er wollte lernen, wollte eines Tages studieren.” Jetzt, nach der Verhaftung, sei sie ein bisschen ob ihrer eigenen Menschenkenntnis in Zweifel gekommen, “aber der Deutschunterricht findet auf einer sehr sachlichen Ebene statt.” Nicht immer lernten sie auch die tieferen Hintergründe oder Traumatisierungen der Menschen kennen. So, wie Dorothee Magnussen, erleben es auch andere Paten des Flüchtlingskreises, Sebastian Hellwig zum Beispiel: “Auch wenn ich an der Arbeit und dem Verdacht des Bundeskriminalamtes nicht zweifle, so wünsche ich mir aus eigenem Erleben, dass sich seine Unschuld heraus stellt.” Es sei zudem reiner Zufall, dass eine der Verhaftungen in Großhansdorf erfolgt ist. Hellwig: “Für mich ist die Gefahr eines Anschlages für Großhansdorf genauso, wie vorher. Ich sehe es viel mehr als ein positives Zeichen, dass die Verdächtigen gefasst wurden.” Integration der Flüchtlinge in Großhansdorf Bahia Lafar ordnet dies noch weitreichender ein, die Marrokanerin ist seit elf Jahren in Deutschland und lebt seit zweieinhalb Jahren in Großhansdorf. Sie arbeitet viel mit dem Freundeskreis für Flüchtlinge zusammen und kennt auch den Verhafteten: “Er war ein normaler Junge, es gibt eigentlich keinen Unterschied zu den deutschen Jungen. Und er hat sich sehr über die Aufmerksamkeit gefreut, die ihm die Menschen in Großhansdorf und der Freundeskreis für Flüchtlinge entgegengebracht haben.” Für sie sei es nicht ausgeschlossen, dass sich die Einstellung jugendlicher Flüchtlinge während ihres Lebens in Deutschland verändere: “Der Islamische Staat ist eine große Macht in Syrien. Sie suchen die Schwachen und Unfreifen.” Wenn die Jugendlichen dann in Deutschland die Meinungsfreiheit kennen lernen, die Integrationsbemühungen und das Engagement der Paten und der Gesellschaft erleben, könne sich trotz Heimweh und Trauer ihre Einstellung ändern. Bahia Lafar: “Ich wünsche mir, dass sich herausstellt, dass er kein Terrorist ist, denn er ist ein toller Junge.” Der Freundeskreis für Flüchtlinge hat sich in den vergangenen Tagen viel über die Ereignisse ausgetauscht und auch die Frage der Verantwortung thematisiert: “Alle Paten arbeiten ehrenamtlich, wer sich überfordert fühlt, kann sich gerne zurückziehen”, erläutert es Angelika Woge, Sprechern des Freundeskreises. Eine Patin habe das getan, aber, so Woge: “Wir machen weiter, wie vorher, wir lassen unseren gesunden Menschenverstand urteilen.” Einen Verdacht im Vorfeld auch nur im Einzelfall mag keiner der Paten aussprechen – und sie sehen es auch nicht als ihre Aufgabe. Die Situation im Flüchtlingskeim am Kortenkamp Dafür spricht auch die Erfahrung der Flüchtlinge selber. Drei von ihnen lebten im Kortenkamp zusammen mit Mahir in einer Wohnung, waren geschockt von dem Einsatz der Sonderkräfte, die um 4 Uhr in der Früh am Dienstag mit Waffengewalt die Wohnung stürmten und den jungen Mann festnahmen. “Sie haben genau das erlebt, wovor sie geflüchtet waren”, sagt Birgit Karlsson, Leiterin des Großhansdorfer Amtes für Flüchtlingsangelegenheiten, “sie hatten gedacht, sie sind wieder in Syrien.” In den darauffolgenden Tagen habe es zahlreiche intensive Gespräche mit den Flüchtlingen und auch den anderen Bewohnern der Unterkunft im Kortenkamp gegeben, auch vor dem Hintergrund der Öffentlichkeit, die bis in ihre Intimssphäre vorgedrungen sei, Bürgermeister Voß: “Wir als Gemeinde stellen uns schützend vor die Leute, das sehen wir als unsere Aufgabe.” Nach den ersten Erschütterungen der “für Großhansdorf spektakulären Verhaftung”, so Voß, scheint die Gemeinde in ihrem Weg eher gestärkt, als geschwächt. Die Arbeit der Paten und die Bedeutung der Integration haben, so wird es gesehen, an Gewicht gewonnen. Ein Urteil über den Verhafteten wird nicht gefällt, als eher der Beweis seiner Unschuld erhofft. “Und es haben die Glück”, so Bahia Lafar, “die in Ahrensburg oder Großhansdorf landen, denn hier ist das Engagement der Paten und der Weg in die Integration groß, anders als in den großen Flüchtlingsunterkünften der großen Städte.”

Viewing all articles
Browse latest Browse all 321